In »Populäre Panoramen I« spielt Brigitta Falkner mit dem Bild als Erzähloption. der Möglichkeit der Vervielfältigung und der Idee des Modells.
Akribie und Akrobatik zeichnen die literarischen Werke Brigitta Falkners aus. Ein genauer Blick in frühere Arbeiten wie »Tobrevierschreiverbot: Palindrome« (1998) oder »Fabula Rasa oder Die methodische Schraube« (2001) macht klar, dass man hier Unterhaltung und Kopfarbeit zu erwarten hat. Nichts ist zufällig in ihren durchkomponierten Arbeiten, kein Teilelement ist zu finden, das nicht doch auch noch einen weiteren Bedeutungs- und Gedankenraum aufmacht. Doch von all der Konstruktionsarbeit ist beim genussvollen Lesen von Falkners Arbeiten – und das ist, wenn man sich nur darauf einlassen will, zumindest ebenso problemlos möglich – kaum etwas zu spüren. Diese durchaus auch materialorientierte Produktionsweise spiegelt sich auch in Falkners jüngstem Werk, den eben erschienenen »Populären Panoramen«. Auffällig ist in diesem Band die weitere Aufwertung des Bildes als Erzähloption, ist doch jede rechte Seite mit bunten Tafeln versehen. Abseits vom Medium Comic, mit dem Falkner ebenfalls vertraut ist, entwickelt sie so ihre Option sequenziellen Erzählens weiter. Eine Bahnreise ist der Ausgangspunkt für ihre ebenso unterhaltsame wie unheimliche Geschichten-Entfaltung, die sich über Wiederholungen und Schleifen bis zum Stillstand des rasenden Modernegefährts entwickelt: »Manchmal, wenn ich das Ohr an meine Eisenbahnschiene lege, worin der Schall sich superschnell fortpflanzt, und den Schwingungen im Metall lausche, gelingt es mir, die Ankunft eines herannahenden Zuges auf die Sekunde genau vorauszusagen.« In einer wunderbaren, absurden Mischung aus wissenschaftlichem Jargon, philosophischen Brocken und geradezu trashigen Elementen kommt ein Figureninventar der Comicwelt zum sprichwörtlichen Zug. Gekonnt jongliert die Autorin mit Gemeinplätzen aus Filmen, changiert geschickt mit den Größenverhältnissen der in den abfotografierten Dioramen platzierten Objekte oder integriert schlüssig Elemente wie Zwischentitel oder split screens. Was als Spiel mit den literarischen Möglichkeiten der Vervielfachung lesbar ist, kann aber auch als Reflexion über die Idee des »Modells« und dessen vom Original abweichenden Eigenschaften verstanden werden. Brigitta Falkner beschert uns also mit ihrem (glaubt man dem Titel) ersten Band populärer Panoramen nicht nur Literatur, sondern auch ein Modell von ihr.
– Thomas Ballhausen, SKUG (8/11)