Dichten kann recht scheckig sein: «Zwo Stündchen brüten: die zu Buchseiten werdende Not. […] Und wer so dichten tue–, weisz: eher bunt denn Code […].» Dieser Taktik entsprechend hat die kunstfertige Dichterin Brigitta Falkner, Verfasserin des «TobrevierSCHreiverbots» (1996) und der «Fabula Rasa» (2001), ein neues Wortkunstbuch vorgelegt, das mit nur 14 Buchstaben auskommt und meisterlich mit ihnen malt. Während Falkner in ihren früheren Büchern die Sprache durch eine «methodische Schraube» dreht, Wort- und Buchstabenfolgen aufreiht, die vor- und rückwärts gelesen einen Sinn ergeben oder die auf bestimmte Buchstaben ganz verzichten – während sie also vormals Palindrom-Würmer und Lipogramm-Erzählungen textete, hat sie nun ein Anagramm gebildet. «Bunte Tuben» heisst dieser Band, der kenntnisreich-erfinderisch das Dichten selbst auslegt: «Er indes bzw. heute interne Codes und Bindeworte scheute – denn: zu bindend.» In der Regelhaftigkeit des Anagramms entdeckt Falkner die Chance, auszubrechen. Heraus kommt allerhand Sprachmus, Sprachbrei, fleckige Wörter, die genüsslich aus jenem Vokabular gequetscht werden, das manche Akademiker dummerweise benutzen, wenns ums Dichtern geht («Sie wurden Dozentehen. übt! übt!»). Lyrische Interpretation wird ad absurdum geführt, wenn Falkner ständig auf die Tube drückt; ihre herausgepressten Wörter reflektieren sich selbst und den Umgang mit ihnen. Dabei bereitet es nicht nur der Dichterin grosses Vergnügen, den Worten, Lauten, Rhythmen dieses Sprachinventars immer neue, skurrile Formen abzutrotzen, sondern auch dem Leser, an solchen Experimenten teilzunehmen: «Wozu deuten? […] Bedeutend! … Wenn Ihr den Code wüsztet! […] 0 den Tuben-Code, den bunten? […] Benutzt Du den Duden? – Nee!»
– Der kleine Bund (7/2004)